Frans Hals: Der Maler des lachenden Menschen - WELT (2024)

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Die meisten Menschen haben schon einmal die Namen Rembrandt oder Vermeer gehört, aber Frans Hals? Seit über 30 Jahren hat es keine Retrospektive des niederländischen Porträtmalers mehr gegeben, der doch zu den besten Künstlern im Goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei zählt. Die fünfzig Bilder, die in diesem Jahr von der National Gallery in London ins Rijksmuseum in Amsterdam gereist sind und ab dem 12. Juli 2024 in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen sein werden, sind ein kunstgeschichtliches Ereignis, wie es nur ganz selten zu erleben ist.

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Das Geburtsjahr von Frans Hals ist nicht gesichert bekannt. Wahrscheinlich erblickte er 1584 in Antwerpen das Licht der Welt, bevor er infolge der spanischen Eroberung der Niederlande mit seiner Familie zum Flüchtling wurde. Viele protestantische Niederländer gingen damals in den freien Norden, nicht wenige ließen ihre Häuser und ihren Besitz zurück. Hals’ Eltern ließen sich in Haarlem nieder, wo der Sohn vergleichsweise spät, mit 21 Jahren, die Ausbildung zum Maler absolvierte. Er soll ein Trinker gewesen sein und ein „lustich Leben“ geführt haben, heißt es in den spärlichen Quellen, die sich oft nur aufs Hörensagen stützen.

Tagelang in Wirtshäusern zu versumpfen, war für die jungen Künstler dieser Tage nicht untypisch. Der malende Niederländer trug bunte, aufwendige Kleidung und trank in der Kneipe, bis er von Werkstattgründung und Heirat domestiziert wurde und sich in einen dezent gekleideten Unternehmer in Sachen Kunst verwandelte. Gesichert ist, dass Frans Hals zweimal verheiratet war und einmal verwitwete, dass er insgesamt zehn Kinder hatte und einige seiner Kunden für Porträts die Taufpaten dieser Kinder waren. Obwohl beruflich erfolgreich und auch produktiv, starb Frans Hals verarmt 1666 in Haarlem, wo er fast sein ganzes Leben verbrachte.

Frans Hals: Der Maler des lachenden Menschen - WELT (1)

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Es ist eine spärliche Biografie, die praktisch nichts von dem erklären kann, was in dieser Ausstellung zu sehen ist. Kein anderer Maler seiner Zeit – oder überhaupt kein Maler – hat die Präsenz eines menschlichen Wesens so einzufangen verstanden wie Frans Hals. Er porträtierte Patrizier mit schmutzigen Fingernägeln und wirrem Haar, hielt mit pastosen, gut sichtbaren Pinselstrichen das Lachen von Kindern fest und malte in seinem Spätwerk so summarisch und doch realistisch, wie man es erst wieder bei Édouard Manet sehen würde. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden Hals’ Bilder zu absoluten Höchstpreisen gehandelt, und er stand auf einer Stufe mit Rembrandt und Vermeer.

Dennoch ist Hals nur selten Gegenstand großer Ausstellungen geworden. Umso stärker ist der Effekt, der sich bereits bei der Ausstellung in der Londoner National Gallery einstellte. Es hat etwas Schockierendes, in einem Museum Gestalten vor sich zu sehen, deren reale Körper seit vierhundert Jahren unter der Erde liegen. Das Zusammenspiel von Gestik, Mimik, Körperhaltung, Kleidung, Komposition, Farbigkeit und vor allem das Lächeln der Figuren ist maximal kalkuliert und wirkt doch beiläufig wie ein Schnappschuss.

Von London über Amsterdam nach Berlin

Wenn die Kalenderweisheit stimmt, dass der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen ein Lächeln ist, dann mag dies ein Grund für die Wirkung von Hals’ Kunst sein. Ihm gelang es, lachende Menschen zu malen, als stünden sie direkt vor einem. Manchmal genügten ihm dafür die Augen.

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Die Kuratoren der Retrospektive konnten den „Lachenden Kavalier“ aus der Wallace Collection in London leihen – das Bild hat die Privatsammlung seit dem Ankauf 1900 nie verlassen. Der Name des Dargestellten ist unbekannt, aber er muss wohl ein Junggeselle sein, so aufwendig und keck, wie er gekleidet ist. Der Hut sitzt schief und gleicht die Masse der üppigen weißen Halskrause aus – aber es ist der Blick, der einen gefangennimmt.

Frans Hals: Der Maler des lachenden Menschen - WELT (2)

Aus dem britischen Landsitz Chatsworth stammt wiederum das Porträt Isaac Massas, das eigens noch einmal restauriert wurde. Massa, der als Getreidehändler in Russland zu Geld gekommen war, später im diplomatischen Dienst der Niederlande stand, hatte offenbar keine Angst vor Neidern. Seine verschränkten Arme, die reiche und doch strenge Kleidung sowie der direkt den Betrachter ansprechende, dabei nachdenkliche Blick verraten etwas vom Selbstbewusstsein eines niederländischen Großbürgers im 17. Jahrhundert.

Die niederländische Republik war eine Ausnahmeerscheinung ihrer Zeit – Städte und Distrikte wurden eigenständig regiert, hoheitliche Aufgaben wie die Verteidigung des Gemeinwesens nahmen damals Bürgerwehren wahr. Ab 1612 diente auch Frans Hals als Musketier in der dritten Kompanie der St.-Georgs-Bürgerwehr von Haarlem. Die Mitglieder ließen sich auf eigene Kosten von den besten Künstlern ihrer Region porträtieren.

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Für die Ausstellung in London hatten zum ersten Mal überhaupt zwei von Hals’ Schützenstücken das Frans-Hals-Museum in Haarlem verlassen, ein drittes stammt aus dem Rijksmuseum in Amsterdam. Auf den bis zu vier Meter breiten Leinwänden kommt zur berauschenden Frans-Hals-Mischung aus malerischer Unmittelbarkeit und künstlerischem Kalkül noch etwas anderes hinzu. Sie bestechen gegenüber den Einzel- und Doppelporträts noch einmal durch gesteigerte Komplexität.

Auf diesen „Schuttersstukken“ (Schützenstücken) waren jeweils mehr als ein Dutzend Individuen einzufangen, die gleichzeitig auch als Gruppe funktionieren mussten. Hals schaffte das bei seinem ersten Auftrag von 1616 schon sehr gut. Wie sehr er sich steigerte, sieht man an dem „Bankett der Offiziere der St.-Georgs-Bürgerwache von Haarlem“ von 1627. Die Dynamik und Lebensnähe, mit der hier ein Offizier sein Weinglas umdreht, wobei sein Arm aus dem Bild zu stechen scheint, die Austernschalen auf dem Tisch, die Handschuhe, Schärpen, eingerollten Fahnen, die Gesten und Posen fügen sich zu einem beinahe filmischen Erlebnis, das doch Malerei bleibt.

Der Weg in die Berliner Gemäldegalerie lohnt sich

Völlig ungeniert stellt Hals aus, was ein Maler tut: Farbe auf Leinwand bringen. Er schmiert und feinmalert zugleich. Dass sich die Kompanie des Reynier Reael aus Amsterdam für einen Haarlemer Maler entschied, anstatt für einen aus der eigenen Stadt, war ein Bruch mit der Tradition – und ein Hinweis darauf, wie sehr man Frans Hals in seiner Zeit verehrte. Damit aber nicht genug: der Meister ließ Männer nach Haarlem kommen, weil ihm die Reisen nach Amsterdam irgendwann zu beschwerlich wurden. Fertiggestellt hat die sogenannte „Magere Kompanie“ ein Kollege namens Pieter Codde.

Der Weg nach Berlin wird sich erneut lohnen, für diese freie, fast schon impressionistische Malerei, die Vincent van Gogh nach der Eröffnung des Rijksmuseums im Jahr 1885 in einem Brief an seinen Bruder Theo hervorhob. Van Gogh beschrieb in dem Brief eingehend die Materialien, die Frans Hals im Bild nachahmt und lobte wortreich die Farbgebung.

„Die Lederschuhe sind aus einem anderen Material als die Beinkleider, die sich von den Falten der Reithose unterscheiden, die wiederum anders sind als das Wams – sie drücken verschiedene Materialien aus, die sich farblich stark voneinander unterscheiden und stammen doch alle aus einer grauen Familie – aber halt! In dieses Grau fügt er nun Blau und Orange ein – und etwas Weiß. Das Wams hat Satinbänder in einem göttlichen, weichen Blau …“ Van Gogh sah das Gemälde zum ersten Mal und konnte sich gar nicht beruhigen.

Frans Hals: Der Maler des lachenden Menschen - WELT (4)

Hals malte aber nicht nur respektable Stützen der Gesellschaft und Mäzene, sondern auch trinkende Lautenspieler und Spaßmacher. Recht bekannt ist sein Bild „Malle Babbe“, das in der Berliner Gemäldegalerie hängt. Es zeigt aller Wahrscheinlichkeit nach eine geistig behinderte Frau, die in Haarlem stadtbekannt war. Wie malte aber Frans Hals diese Person, die am unteren Ende der sozialen Leiter stand?

Mit genau derselben Individualität und Hingabe wie seine Auftragsporträts. Die Eule auf ihrer Schulter kann für das niederländische Sprichwort stehen, betrunken wie eine Eule zu sein, oder aber für Weisheit (eindeutig lesbare Symbole sind selten bei Hals). Das Lachen der „verrückten Barbara“ ist auf dem Bild direkt assoziiert mit dem geöffneten Zinnkrug, aus dem sie eben noch getrunken zu haben scheint.

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Wieder hat Hals, anstatt sich feinmalerisch an Oberflächen abzuarbeiten, die Persönlichkeit in einer summarischen Malweise mit sichtbaren Pinselstrichen festgehalten. Die leicht zur Seite gewendete Haltung der lachenden Frau wirkt dynamisch, wie auf einem Foto mit Bewegungsunschärfe, und man fragt sich, was ihre Augen wohl sehen. Mittlerweile wissen wir, dass die Malle Babbe („verrückte Barbara“) im Jahr 1653 im Arbeitshaus von Haarlem lebte, welches die Funktionen eines Gefängnisses und einer Psychiatrie zugleich hatte. Und wie wir dank kunsthistorischer Recherchen ebenfalls wissen, war zur selben Zeit auch Frans Hals Sohn Pieter dort untergebracht, der 1642 für schwachsinnig erklärt worden war.

Man spürt vor „Malle Babbe“, dass Hals die Geisteskranke mit ambivalenten Augen sieht – vielleicht wegen des Schicksals seines Sohnes. Anders als viele Genrestücke der Zeit, die Gaukler, Bauern, Kinder oder Trinker darstellten, ist die „Malle Babbe“ frei von Denunziation. Ob Patrizier oder stadtbekannte Verrückte, jeder ist es wert, gemalt zu werden, wie er ist. Diese Grundannahme erzeugt die Unmittelbarkeit in der Kunst von Frans Hals. Alles steht hier vor einem, als habe es sich eben erst ereignet; in der realen Welt, nicht in der Fantasie eines gelehrten Künstlers. „Frans Hals“ ist, das steht fest, eine der wichtigsten Ausstellungen in diesem Kunstjahr.

„Frans Hals. Meister des Augenblicks“, 12. Juli bis 3. November 2024, Gemäldegalerie, Berlin

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